Eigentlich war im Februar 2019 das TÜV-Monopol für Einzelabnahmen / Vollgutachten nach §21 StVZO gefallen, so dass ein breiterer Markt an Prüforganisationen für uns Selbstausbauer zu erwarten gewesen wäre: https://www.gtue.de/Presse/Pressemitteilungen/82621.html Meine Erfahrungen mit 7 Prüforganisatiuonen in den letzten 8-10 Wochen haben in mir jedoch die Frage aufgeworfen, ob es überhaupt noch für Privatausbauer möglich ist, eine §21 Abnahme zu bekommen. Zum Hintergrund (bewußt keine Namensnennung).
Fall 1:
Eine große bekannte Prüforganisation hat ihre Terminvergabe zentralisiert. Die Prüfstellen oder gar die Prüfer sind nicht mehr zu erreichen. Man ruft also in der deutschlandweiten Terminvergabe an und es wird ein Rückruf versprochen. Gemacht, getan. Und nochmal gemacht, und nochmal und nochmal. Seit März bis vorletzte Woche eine mehrstellige Anzahl. Kein Rückruf, keine Reaktion, kein Termin.
Also selber hingefahren - zu der Stelle in Herne, wo ich mit dem FUSO gute Erfahrungen gemacht hatte. Der damalige Prüfer ist nicht mehr da, ein junger Prüfer vor Ort, ganz allein. Auf meine Nachfrage (unter Zeugen): Ja, er habe meine Terminanfragen seit März erhalten. Aber: Nein, er denke gar nicht daran, die Terminanfragen seiner zentralen Terminvergabe zu beantworten, Rückrufe zu tätigen oder auf Emails zu antworten, weil er dann gar nicht mehr zum Arbeiten käme. Termine würden ausschließlich Montags um 8 Uhr vergeben, persönlich erscheinen und einen Termin in der laufenden Woche vereinbaren. Wieder wegfahren und dann zu dem Termin kommen. Als wir da waren, war übrigens gähnende Leere, kein Fahrzeug in der Prüfanlage.
Fall 2:
Eine andere große bekannte Prüforganisation angefragt und um Mitteilung gebeten, welche Prüfstelle solche Abnahmen tätigen kann. Immerhin konnte ich mit dem Prüfer einen Prüftermin innerhalb der nächsten 14 Tage ausmachen. Bei dem Termin stellte sich jedoch heraus, dass er sich als dafür nicht kompetent bezeichnete. Er konnte z.B. nicht die Entscheidung treffen, ob eine rundum verklebte und an 30 Stellen mit selbstsichernden Schrauben an der Pritsche befestigte Kabine als "fest verbunden" anzusehen sei, oder als "mit Bordmitteln leicht abnehmbar". Und damit die Fahrzeugart LKW beizubehalten sei. Also war die Prüfung an dieser Stelle ergebnislos beendet. Meine Anfrage erneut an die Prüforganisation, mir eine Prüfstelle zu benennen, im ganzen Ruhrgebiet, die das vor Ort entscheiden kann, verlief bisher ohne Antwort.
Fall 3:
Auf gut Glück losgefahren zu einer Prüfstelle einer ebenfalls großen Prüforganisation. Deren Prüfer konnte im Gegenteil nicht entscheiden, ob die Klebe- und Schraubverbindungen ausreichend fest seien. Ein 387 kg leichter Kofferaufbau, der mit 30 Schraubverbindungen mit genormter Schraubenfestigkeit durchverschraubt ist und zudem rundum geklebt. Ja, er halte das wohl für mehr als großzügig dimensioniert - aber er könne das nicht unterschreiben, weil er im Falle des Falles den Nachweis führen müsse. Ja wer das denn dann unterschreiben könne? Also wenn ich ein Gutachten darüber beibringen würde...
Fall 4:
Bei einer wirklich großen Prüfstelle einer wirklich großen Prüforganisation in einer wirklich großen Stadt: Der Prüfer verstieg sich zu geradezu kuriosen Ansichten: Zum Beispiel wären die Solarflächen zu gut (!) mit dem Fahrzeug verschraubt, so dass sie nicht mehr "Ladung" wären, sondern zum festen Bestandteil des Fahrzeugs geworden seien. Und Fahrzeugbestandteile müssten nunmal ausnahmslos ein Prüfzeichen tragen. Ich hätte zwar die Rahmen der Solarflächen gut verschraubt, aber die Silikonwafer darin könnten sich ja aus dem Rahmen lösen, und wer würde das garantieren. Ich könnte ja für die Prüfung jeden Silikonwafer mit einem Spanngurt sichern und nach der Prüfung wieder abnehmen. Dann die Arbeitsscheinwerfer, die Aufbaubatterie, die Kabineninnenbeleuchtung, das Ladegerät und überhaupt die ganze E-Installation, die elektrisch nicht mit dem Fahrzeug verbunden sei - sie sei aber mechanisch verbunden, da angeschraubt, also müsse ich auch dafür ein e-Prüfzeichen haben. Ebenso die ausziehbare Leiter hinten am Heck, die inb Fahrtrichtung montuiert ist und daher beim Aufprall höchstens rein rutscht, aber nie rausrutschen kann. Und für die man richtig Kraft aufwenden muss, um sie aus der Arretierung herauszuziehen. Ne, das geht alles nicht.
Fall 5:
Zu noch einer anderen Prüforganisation: Die elektrische Einrichtung (Landanschluss, FI-Schutzschalter, 4 Leitungsschutzschalter und 4 Steckdosen - nichts weiter) könne er nicht beurteilen. Ich möge eine Bescheinigung einer zertifizierten Begutachtungsstelle über die elektrische Sicherheit und elektromagnetische Verträglichkeit beibringen. Über die eingebauten Funkgeräte sowieso. Zu meinem Hinweis, dass wir als lizensierte Funkamateure per lege EMV-Fachkraft seien und die EMVU selber bescheinigen dürften, wollte er darüber ne Bescheinigung haben, dass das so sei.
Fall 6:
Auf unserer Rundfahrt, mit der wir vier weitere Prüfstellen (Rheinland, Hessen, Nord, Süd) abgeklappert haben, bekamen wir "Aufklärung": Nach der Lockerung des Monopols seien die Anforderungen an die Kriterienerfüllung seitens der Dachorganisationen (nicht des Gesetzgebers) so groß geworden, dass schlichtweg kein Personal mehr gäbe bei den Prüforganisationen, was die notwendige Fach- oder Entscheidungskompetenzen mehr habe. Das bisherige Fachwissen sei in Rente gegangen, und nich mehr aufgestockt worden. Für Individualabnahmen gäbe es schlicht keine Fachkompetenz mehr. Und Empfehlungen im Sinne von "Baugeleitung" könne sich sich auf verschärften Haftungsgründen niemand mehr leisten. Individualabnahmen seien daher nur noch "de lege", aber nicht mehr "de facto" möglich. Real sei es wohl so, dass nur noch Serienhersteller ne Chance hätten.
Das haben uns unverblümt mehrere Prüfer gesagt - und noch Leute "des alten Schlags" benannt, wo wir es ja mal versuchen könnten. Diese Versuche haben bisher aber zumindest hier in der Umgebung keinen Erfolg gehabt, weil die entweder ebenfalls in Rente sind oder terminlich auf lange Zeit ausgebucht. Insgesamt haben wir also 16 Prüfstellen von insgesamt 7 Prüforgansiationen abgeklappert, in einem Zeitraum von etwas über 2 Monaten, geografisch im Ruhrgebiet und jetzt im Raum Kassel. Jan Hendrik ist jetzt gerade nochmal auf gut Glück zu einer "benannten Empfehlung" unterwegs, weil das telefonische Rückrufversprechen zwecks Terminvereinbarung mittlerweile schon wieder fast eine Woche lang ergebnislos ist. Und jede Nachfrage nur zu einem erneuten Aufnehmen des Terminwunsches führt, mit dem Versprechen, dass man sich meldet. Hat sich wohl versprochen...
Ich habe es bei meinen bisherigen Fahrzeugbauten stets anders erlebt. Deshalb bin ich ich ja selber überrascht, was sich in den letzten zwei Jahren seit meiner letzten Abnahme verändert hat. Was ist das jetzt? Ist das jetzt ein Corona-Effekt? Oder Ergebnis des Wohnfahrzeug-Booms? Oder ne Frustreaktion der Prüfstellenmitarbeiter auf ne desaströse Personalpolitik der Prüforganisationen? Oder wird es tatsächlich so langsam nicht mehr möglich sein, dass Individualausbauer noch ne Vollabnahme kriegen? Nur noch, wenn man wen kennt, der einen kennt?
LG Gode